Advent beginnt mit Brot für die Welt-Aktion
Die Ev. Martinskirchengemeinde lädt zur Eröffnung der 67. Aktion von Brot für die Welt ein. Im Gottesdienst mit dem Motto "Kraft zum Leben schöpfen" am 1. Advent um 10 Uhr stellt das Vorbereitungsteam Luisa Curuki und ihre Familie von der Fidschi-Insel Vanua Levu vor. Was bedeutet der Klimawandel für sie? Welche Projekte sichern in Zukunft ihr Leben? Diesen und anderen Fragen wird im szenischen Spiel nachgegangen. Im Anschluss ist Zeit für Begegnungen im Kirchencafé und den Erwerb von Produkten des Weltladens. Kollekte und Spenden sind für die Aktion Brot für die Welt bestimmt.
Gedichte als Atemhilfe: Sabine Kampmann erinnerte am Volkstrauertag in einem Konzert-Gottesdienst an die Schriftstellerin Nelly Sachs (16.11.2025)
Ein Brief lag auf dem Altar unter dem Bild von Nelly Sachs. Sabine Kampmann öffnete ihn zu Beginn des Konzert-Gottesdienstes am Volkstrauertag in der Martinskirche und begann die geschriebenen Worte wie ein Vermächtnis durch die Besucherreihen gehend zu lesen. Es war das Gedicht „Schmetterling“ der deutsch-jüdischen Schriftstellerin, die Kampmann ins Zentrum ihrer musikalischen Andacht mit dem Titel „Psalm der Nacht“ stellte. Mit großer Sensibilität rezitierte sie die Texte der Literaturnobelpreisträgerin und interpretierte sie mit ihrer eigenen, besonderen Musik. „Psalmen sind Nachtherbergen für die Wegwunden des Tages“, schrieb Nelly Sachs. Geprägt vom Holocaust, von dem Verlust ihres Geliebten durch das Gestapo-Martyrium und von ihrer Flucht nach Schweden befasste sich Sachs hochemotional mit Schmerz, Abschied, Tod und Trauer. Sie gilt als erste Schriftstellerin, die über die Schornsteine von Ausschwitz dichtete: „O die Schornsteine auf den sinnreich erdachten Wohnungen des Todes, als Israels Leib zog aufgelöst in Rauch durch die Luft.“ Kampmann beschrieb die Schriftstellerin als zierliche, zerbrechlich wirkende Person. Sie war oft in Sanatorien und einige Jahre in einer psychiatrischen Klinik bei Stockholm. Ihre Gedichte seien ihre „Atemhilfe“ gewesen. „Wenn die Dämonen sie plagten, griff sie zum Stift und schrieb“, sagte Kampmann. Ihr gelang es geschickt, die Lebensgeschichte mit Musik zu verweben. Die Spirituals „Wade in the water“ und „Motherless child“ schlängelten sich wie ein roter Faden durch ihre Präsentation. Mit der Gewissheit, dass „wir leben durch die Auferstehung“, hätte Sachs Trost gefunden. „In jeglichem Leid ist Gott ihr Du, ihr allein Angeredete“, stellte Kampmann fest. Am Ende sang sie das ermutigende „The Lord is smiling on me.“ Die Gottesdienstgäste konnten sich auf Karten, die sie selbst künstlerisch gestaltet hatte, Worte von Nelly Sachs mit nach Hause nehmen. Kampmann hatte sie leuchtend in goldener Farbe geschrieben. (het)
Minutenlanges Schweigen am Ende
Maddalena Hirschal spielte im Rahmen der Leseaktion "Bad Hersfeld liest ein Buch" in einer bewegenden Inszenierung Anne Frank in der Martinskirche (8.11.2025)
„Ich möchte den Himmel sehen“, „einmal wieder laut lachen“, „ausgelassen sein“ und „ich möchte leben.“ All diese Wünsche schrieb das jüdische Mädchen Anne Frank in den Jahren 1943 und 1944 sehnsüchtig in ihr Tagebuch. Die österreichische Schauspielerin Maddalena Hirschal nahm in zwei Vorstellungen am Wochenende in der Martinskirche das Publikum mit einer besonders eindringlichen Performance in die Gedanken- und Gefühlswelt von Anne Frank mit. Regisseur Holk Freytag hatte mit ihr die Solofassung von „Anne Franks Tagebuch“ entwickelt, die bereits vor 12 Jahren im Rahmen der Festspiele in der Martinskirche gezeigt wurde. Holk Freytag beschrieb das Tagebuch zu Beginn als ein Zeugnis einer außerordentlichen schriftlichen Begabung. Intime Gedanken und Selbstreflexionen sowie die Schilderung gesellschaftlicher und politischer Zustände machten es zu einem erschütternden Zeitzeugnis. Seine Fassung handele von Freiheit und Gefangenschaft, über Alter und Jugend sowie über Hass und Liebe. Acht einfache Holzstühle standen in den Aufführungen vor dem Altar. Sie symbolisierten die acht Menschen, unter anderem Anne Frank und ihre Familie, die sich in einem Amsterdamer Hinterhaus zwei Jahre lang dank mutiger Helfer und Helferinnen vor dem Nazi-Regime versteckt halten konnten. Eine Leiter stand noch an der hinteren Kirchenwand, sonst brauchte es keine Requisiten. Das intensive Spiel Hirschals sprach für sich. Die grazile Ausstrahlung der 42-Jährigen ließ das jugendliche Mädchen hervorragend vor den Augen des Publikums lebendig werden. Immer wieder erklang das melancholische Lied „Somewhere over the rainbow“, das Anne Frank sehr gemocht hatte. Die Sehnsucht nach einem besseren Ort, nach Frieden und Freiheit passte perfekt zu Annes innerer Welt. „Ich habe Lust zu schreiben und mir alles von der Seele zu reden“, schrieb sie in ihr Buch, denn sie habe sonst keine Freundin. Sie beschrieb ihr Aussehen, was sie hatte und nicht hatte, sie zählte auf, was Juden auf einmal alles nicht mehr machen durften, und sie schilderte die Situation, wie ihre Familie mit dem Nötigsten und in mehrere Kleidungsschichten gehüllt das Versteck bezog. „Ich sehe uns Acht im Hinterhaus, als wären wir ein Stück blauer Himmel, umringt von schwarzen Regenwolken, die immer näher rücken“, schrieb Anne. Hirschal hatte Tränen in den Augen, wenn sie die wütende oder traurige Anne spielte. Ihre Darbietung berührte das Publikum tief. Am Ende zog sie sich ihren Mantel über und verließ das Kircheninnere. Sie wurden verraten und entdeckt. Holk Freytag verlas die Schicksale der acht Versteckbewohner. Nur Otto Frank, Annes Vater, überlebte. Minutenlanges Schweigen folgte. Applaus war erst einmal nicht möglich, doch er folgte sogleich nach Hirschals Rückkehr vors Publikum. Es war eine verdiente Reaktion für eine starke Leistung. (het)